Digitale Job-Zukunft

Digitale Arbeitswelt

© Pavel Danilyuk – Pexels

Die digitale Job-Zukunft.

Die Digitalisierung hat unsere Arbeitswelt verändert. Neben neuartigen Risiken winken auch zahlreichen Chancen, die es zu entdecken gilt. Mit welchen Skills kann ich punkten und wie schaffe ich es, die digitale Job-Zukunft mit Freude, Mut und Neugier zu betrachten? Über die wichtigsten Trends der Zukunft der Arbeit sprechen wir in diesem Interview mit Christian Schwedler.

Als Stratege bei der BMW Group begleitet er den Wandel vom Maschinenbau-Konzern zur Tech-Company. Darüber hinaus ist er als freiberuflicher Autor und Impulsgeber für eine smarte, digitale & sinnstiftende Job-Zukunft tätig. Nach seinem Studium war er acht Jahre auf beruflicher Weltreise, arbeitete in Sydney, London und Santiago de Chile. Heute lebt und arbeitet er in München.

 

Wie sieht die Zukunft der Arbeitswelt aus? Worauf müssen wir uns zukünftig einstellen?

Auf stetige Veränderung! Einen Job lernen und diesen bis zur Rente durchziehen – das gibt es nicht mehr. Diese Dynamik betrifft viele Aspekte: Jobs sterben aus, neue entstehen, Arbeitsmodelle verändern sich, digitale „Werkzeuge“ entwickeln sich rasant weiter; Chefs wandeln sich vom alleinigen Entscheider zum Coach & Mentor, und so weiter.

Meine Erfolgsformel für diese dynamischen Zeiten heißt „WIN“ – das steht als Akronym für: Bleib wandelbar, initiativ und neugierig.

Ein weiterer Aspekt: Bislang haben sich Menschen bei den Firmen beworben. Das dreht sich mittelfristig um. Durch den wachsenden Fachkräftemangel („war of talents“) müssen sich Firmen zukünftig bei den Mitarbeitenden bewerben. Damit Unternehmen in diesem Wettbewerb eine Chance haben, müssen sie mit entsprechenden Rahmenbedingungen punkten.

 

Welche Jobs und Tätigkeiten werden es in Zukunft schwer haben bzw. laufen Gefahr durch Automatisierungsprozesse verdrängt zu werden?

Unsere Jobs treten zunehmend in Konkurrenz mit Künstlicher Intelligenz und Automatisierung. Einfache kognitive Arbeiten wie z.B. die einfache Buchhaltung, sowie physisch manuelle Tätigkeiten wie z.B. Lagerist, Maschinenführer, Fahrer sind durch Digitalisierung und Robotik am leichtesten zu ersetzen. Studien gehen von einem Rückgang von bis zu 30 % aus, bis 2030. Aber auch Akademikerberufe sind betroffen. Bestimmte Aufgaben wie z.B. die Diagnostik in der Medizin, juristische Tätigkeiten oder die „normale“ Steuerberatung werden schrittweise durch KI ersetzt werden. In diesen Fällen gilt es, angrenzende Schwerpunkte zu finden, z.B. die emphatische Patienten-Beratung der KI-generierten Diagnostik.

 

Wie ist die Auswirkung des technologischen Wandels speziell auf Deutschland zu sehen?

Unsere hiesige Unternehmenslandschaft ist geprägt durch die Erfolge der Industrialisierung: Produkte in Perfektion – „Made in Germany“. Da macht uns kaum einer was vor. In Zukunft wird es aber weniger darauf ankommen, wenig Fehler zu machen, sondern zu langsam auf dynamische Marktveränderungen zu reagieren oder keine entscheidenden Produkte zu entwickeln. Agilität und Innovationskraft sind gefragt. Digitalisierung ist ein Treiber und Befähiger neuer Geschäftsmodelle. Leider stammen die sogenannten 7 KI-Giganten alle aus dem Silicon Valley und China – in Europa scheinen wir hier bereits abgehängt zu sein. Wir dürfen den Anschluss an die digitale Hightech nicht verlieren.

 

Kann künstliche Intelligenz auch Arbeitsplätze schaffen?

Davon gehe ich aus. Diese neue Technologie muss ja auch entwickelt, betrieben und betreut werden. Auch wenn KI eigenständiger wird (z.B. durch selbstlernende Systeme) wird es weiterhin einen großen Bedarf an Fachleuten geben. Studien rechnen bei den IT-bezogenen Jobs mit Zuwächsen von mindestens 50 % bis 2030. Es wird viele Jobs geben, die wir heute nur erahnen können: Augmented-Reality-Coach, Algorithmus-Dirigent, Datenmüll-Recycler, Metaverse-Interior-Designer usw.

Zudem wird Digitalisierung auch Non-IT-Jobs stärken:

  • Trainer, die das nötige Fachwissen schulen,
  • Coaches, die Digital Detox vermitteln,
  • Berater, die neue Marktchancen evaluieren…
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Welche Jobs und Tätigkeiten haben das meiste Zukunftspotenzial? Kann man überhaupt eine Prognose darüber abgeben, welche Berufsgruppen zukunftsträchtig sind?

Niemand hat die Glaskugel, doch wir können Trendlinien erkennen: Wenn wir die Trends sorgsam bewerten, ergibt sich die Jobprognose fast von selbst. Denn der Arbeitsmarkt von morgen hängt unmittelbar an der zukünftigen Leistungsfähigkeit von KI und Automatisierung. Die Fragen, die wir uns stellen müssen, sind demnach:

Welche Jobs brauchen wir, um die neuen Maschinen zu entwickeln und zu betreiben?

Die neuen Technologien erfordern Fachleute, die verstehen, wie diese funktionieren. Fachleute, die in der Lage sind, die neue Hard- und Software zu gestalten, zu warten und anzupassen. Zu den zukunftsträchtigen Berufsgruppen zählen demnach ITler, Ingenieure, Designer und Wissenschaftler, die sich mit KI, Automatisierung und digitalen Anwendungen beschäftigen.

Was können die neuen Maschinen mittelfristig nicht leisten, was bleibt also für den Menschen über?

Es sind die sozialen, kreativen und empathischen Beschäftigungen. Tätigkeiten, die ein hohes Maß an Problemlösungsfähigkeit, Beratungskompetenz, Ideenfindung, sozialer Intelligenz und direktem persönlichen Kontakt erfordern – oder alles zusammen. Demnach müssen sich beispielsweise Künstler, Seelsorger, Pflegekräfte, Friseure, Erzieher, Lehrer, Therapeuten und Unternehmensmanager auch in der näheren Zukunft nicht um ihren Arbeitsplatz sorgen.

 

Welche Softskills werden für den zünftigen Arbeitsmarkt unabdingbar sein und sollten im Studium schon geschärft werden?

In meinem Sachbuch erläutere ich die 7 Skills der Zukunft. Anbei greife ich mal zwei heraus, die mir sehr am Herzen liegen:

Kreativität

Studien besagen, dass wir als kreative Genies geboren werden: In einem Kreativitätstest, der sogenannte »TorranceTests of Creative Thinking«, kam heraus, dass 98 % aller Kindergartenkinder kreative Höchstleitungen zeigen. Nach der Schullaufbahn reduziert sich das auf 3 %.

Da Kreativität eine der wichtigsten Future Skills darstellt, sind wir gut beraten, diese wiederzuentdecken. Kreativität kann man in Schulungen stärken, aber auch gut im Alltag trainieren:

Bestimmte Verhaltensweisen fördern dein Andersdenken: Spiele spielen, tagträumen, zweifeln, lesen, neue Impulse und Eindrücke sammeln (mal einen Film in einem anderen Genre sehen, einen andersartigen Urlaub machen). Die Mission: Öfters aus Gewohnheiten und Routinen ausbrechen.

Wann hast du das letzte Mal etwas richtig Verrücktes getan? Wann wurdest du das letzte Mal völlig überrascht? Fast noch interessanter: Wann hast du das letzte Mal etwas zum allerersten Mal gemacht?

Emotionale Intelligenz

Die Bedeutung des IQs wird abnehmen, da die hier gemessenen Fähigkeiten zunehmend vom Computer übernommen werden (wie Zahlenreihen ergänzen etc.). Die emotionale Intelligenz (EQ) war bislang eher verachtet oder verpönt, wird mittelfristig massiv an Bedeutung gewinnen. Auf sueddeutsche.de kann man einen gratis EQ-Test absolvieren. 100 ist per Definition Durchschnitt, ab 130 giltst du als besonders begabt. Frauen haben durchschnittlich höhere EQs.

 

Digitale Job-Zukunft: Müssen jetzt alle programmieren können?

Nein. Wie bereits beschrieben, wird es auch in Zukunft Jobs ohne digitale Schwerpunkte geben. Ich empfehle aber zumindest ein Grundverständnis. Probiere das Programmieren mal aus. Zumindest um einen ersten Eindruck zu erhalten und eine Idee zu entwickeln, was dahintersteckt. Auch, um mögliche Berührungsängste abzubauen. Plattformen wie Code.org sind gratis und ermöglichen ein schnelles Einsteigen.

 

Muss ich mir jetzt Expertenwissen aneignen, um bei diesem digitalen Fortschritt mitzuhalten?

Nicht unbedingt. Ein Insidertipp von mir lautet: „Sei kein Experte“. KI ist dann hervorragend, wenn es sich um spezifische, abgegrenzte Aufgaben handelt (wie beim berühmten Sieg der KI beim Schach oder auch beim Spiel GO). Daher wird die KI insbesondere mit den Experten in Konkurrenz treten.

Wir werden in Zukunft immer mehr Menschen benötigen, die unterschiedliche Disziplinen abdecken, um Brücken schlagen und neue Verknüpfungen herstellen. Denn genau so entsteht Innovation. Damit du in Zukunft einen Schritt voraus bist, könnte ein taktischer Schachzug also sein, dich bewusst breiter aufzustellen. Mehr Generalist als Experte. Du könntest demnach schauen: Welche angrenzenden Fachgebiete interessieren dich? Welche Themen sind eine gute Ergänzung zu deinem »Home-Turf«? Welche neue Blickrichtung könnte deine aktuelle Tätigkeit bereichern?

 

Christian, vielen Dank für das Gespräch!

Wer die Thematik gerne weiter vertiefen möchte, findet interessante und horizonterweiternde Einblicke im neuen Buch von Christian Schwedler: Speed-Dating mit der Arbeit von morgen: Entdecke deine smarte, digitale und sinnstiftende Job-Zukunft. Erhältlich überall, wo es Bücher gibt.